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    Nach den Bränden in Moria, Kreis Biberach kann sich Aufnahme von Geflüchteten vorstellen

    Nach den Bränden im griechischen Flüchtlingslager Moria geht die Debatte weiter, ob Deutschland Geflüchtete aufnehmen soll.
    Für Landrat Heiko Schmid und Biberachs Oberbürgermeister Norbert Zeidler ist das vorstellbar – aber nicht im Alleingang. Pater Alfred Tönnis (Stiftung „Heimat geben“ Oggelsbeuren) drängt auf eine Lösung. Er ist gerade in Griechenland.

    Für mich waren die Brände keine Überraschung. Pater Alfred Tönnis

    Eigentlich hatte Pater Alfred Tönnis während seiner Griechenland-Reise vor, auch das überfüllte Flüchtlingslager auf Lesbos zu besuchen. Er wollte mit Geflüchteten ins Gespräch kommen. In der Nacht zum Mittwoch hatten Brände das Lager Moria fast komplett zerstört.

    „Für mich waren die Brände keine Überraschung“, sagte Tönnis am Donnerstag Schwäbische.de. Die Lage sei für Geflüchtete und Einheimische schon vorher angespannt gewesen: „Alle wollten das Problem erledigt haben.“ Die griechische Regierung geht von Brandstiftung aus; die Hintergründe waren zunächst aber noch unklar.

    Jahrelange Untätigkeit

    „Seit fünf Jahren werden die Zustände dort kritisiert“, sagt Dagmar Rüdenburg vom Interkulturellen Forum für Flüchtlingsarbeit (IFF). Aufgrund der Untätigkeit sei diese Entwicklung erwartbar gewesen: „Die Menschen haben Jahre friedlich um Hilfe gebeten.“

    Bringe das nichts, gebe es zwei Optionen: Resignation oder Eskalation. Die Geflüchteten müssten endlich aufgenommen werden – unabhängig von europäischen Lösungen: „Es gibt Staaten wie Ungarn, die einfach keine Flüchtlinge wollen.“

    180 Städte und Gemeinden in Deutschland wären bereit, nur Innenminister Horst Seehofer (CSU) blockiere: „Manchmal versteht man die Welt nicht mehr.“

    Die Bilder sind erschütternd und machen traurig.
    Heiko Schmid


    „Es ist eine menschliche Tragödie, die sich in der Flüchtlingspolitik und ganz speziell in Moria abspielt“, teilt Landrat Heiko Schmid auf Anfrage mit. „Die Bilder sind erschütternd und machen traurig.“ Seiner Meinung nach brauche es jetzt „ganz schnelle humanitäre Hilfe“.

    Sollten Europa oder die Bundesrepublik in einem geordneten Verfahren oder Hilfsprogramm Verantwortung übernehmen, „dann stehen wir als Landkreis bereit, um Flüchtlinge unterzubringen“.

    Der Landrat verweist hierbei auf den Beschluss zum „Sicheren Hafen“. Vor fast einem Jahr hatte der Kreistag nach einer kontroversen Debatte für die Resolution „Seebrücke. Schafft sichere Häfen!“ gestimmt.

    Kapazitäten wären theoretisch vorhanden

    „Wir im Kreis haben auch die notwendigen Kapazitäten in den Gemeinschaftsunterkünften, zumal wir von nicht mehr als zehn oder 20 Menschen, verteilt auf den Landkreis, sprechen“, so der Landrat weiter.

    Ob und wie viele Flüchtlinge aufgenommen werden, hängt vor allem davon ab, wie sich die europäischen Mitgliedsstaaten verhalten. Derzeit leben im Kreisgebiet 3350 Flüchtlingen, rund 370 davon in den noch 15 bestehenden Gemeinschaftsunterkünften.

    2015 und 2016 gab es mehr als 60 Gemeinschaftsunterkünfte mit fast 2500 Plätzen. „Wir haben sie in Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden in den vergangenen Jahren sukzessive abgebaut“, erläutert Schmid. „Das war für alle ein Kraftakt.“

    Knapp 1700 Flüchtlinge wurden auf Kommunen in die Anschlussunterbringung verteilt. 1280 Flüchtlinge leben in einer eigenen Wohnung: „Nach wie vor sind wir sehr dankbar für die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit. Mit Herzblut und Leidenschaft unterstützen sie hervorragend die hauptamtliche Arbeit der Integrationsmanager.“

    Auch der Biberacher Gemeinderat hat im September 2019 der Resolution „Seebrücke“ zugestimmt. „Selbstverständlich sind auch wir gerne bereit, in Abstimmung mit dem Landratsamt, Geflüchtete in Biberach aufzunehmen“, sagt OB Norbert Zeidler. „Alles andere wäre wider die seither gelebte Praxis .“

    Er fände es allerdings auch gut, wenn auch andere Länder der EU die Dringlichkeit des Problems endlich erkennen würden, so Zeidler.

    Für Pater Alfred Tönnis ist klar: Es braucht dringend eine europäische Flüchtlingspolitik. Nicht nur auf Lesbos sei die Situation für Geflüchtete dramatisch, sondern in ganz Griechenland.

    „Die Polizei räumt in Athen immer wieder öffentliche Plätze“, berichtet Tönnis. Den Griechen wolle er keinen Vorwurf machen: „Die griechische Regierung kann nur so reagieren.“ Die Lage sei für alle Seiten miserabel.


    erschienen: 10.09.2020

    Foto: Socrates Baltagiannis/dpa

    Autoren: Daniel Häfele, Gerd Mägerle

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