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    Es war eine ergreifende Andacht zum Internationalen Tag der Menschenrechte in der Pauluskirche in Mengen.

    Mengen, 13.12.2020 (Vera Romeu, ©Vera Romeu)

    Es war eine ergreifende Andacht zum Internationalen Tag der Menschenrechte in der Pauluskirche in Mengen. Pfarrerin Heidrun Stocker erinnerte an den 10. Dezember 1948, den Tag, an dem die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution in Paris verkündet hatte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Freiheit geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“, sagte Stocker.

    Gerade in diesen Tagen haben diese Worte eine besondere Tiefe und machen nachdenklich. Nachdenklich machten auch die Texte, die der iranische Dichter Asghar Khoshnavaz in beiden Sprachen rezitierte und die Musikstücke, die Zia Montazir auf der afghanischen Tabla, Gabriele Lang auf dem Violoncello und Bernd Geisler auf der klassischen Gitarre und der afghanischen Rubab – eine Art Laute – spielten.

    Was lange getrennt gehalten wurde und gegeneinander konstruiert, nämlich der Orient und der Okzident, wurde in der Pauluskirche aufgehoben und vereint. Es prägten sich das Bild und der Klang einer Verbindung der Kulturen, in der vorausgesetzt wurde, dass alle Menschen gleich, begabt und frei sind. Die Erinnerung an die Menschenrechte und ihre Verkündung in Paris 1948 sei wichtig, betonte Pfarrerin Stocker. Die Menschenrechte seien bereits im Alten Testament festgeschrieben: „Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde – nach dem Bilde Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie.“ Und sie sprach dazu ein Gebet.

    Eindrucksvoll und energiegeladen rezitierte Asghar Khoshnavaz persische und deutsche Gedichte über Flucht und Vertreibung. Er zeigte, wie ebenbürtig hohe Literatur aus verschiedenen Kulturen ist. Die Texte des persischen Dichters Saadi Saadi aus dem 13. Jahrhundert gehören zu den bekanntesten und beliebtesten Gedichten im Iran. Der deutsche Lyriker Friedrich Rückert hat sie übersetzt. Er sprach auch Gedichte des persischen Mystikers Hafiz aus dem 14. Jahrhundert; sein berühmtes Werk trägt den Titel „Diwan“: Goethe las die Übersetzungen und verehrte den Dichter. Verse wie „Auch wenn der Weg voll Gefahr ist und das Ziel so weit, kein Weg ist ohne Ende, sorge Dich nicht“ oder „Lebe! Lebe einzeln und frei wie ein Baum; brüderlich wie ein Wald. Das ist unsere Sehnsucht“ berührten die Zuhörer in der Pauluskirche.

    Und dann erhoben sich Stimmen im Hintergrund, die sieben Toten gedachten, die auf der Flucht gestorben sind. Sie stünden für Tausende von Toten auf den gefährlichen Wegen der Flucht. Dramatische Szenen flackerten auf: „Tot aufgefunden. 17. Mai 2018. Mädchen zwei Jahre alt. Kurdin. Getötet auf der Flucht von der Polizei“; „Tot aufgefunden. Sieben Kinder und eine Frau. Eine Familie aus Syrien. Ertrunken auf dem Weg nach Griechenland. Auf der Flucht vor dem IS“; „Tod aufgefunden. 25- oder 27-jähriger Mann. Name und Herkunft Unbekannt. Blinder Passagier im Lkw. Kam aus Griechenland“. Pfarrerin Stocker bat in einem Gebet Gott um Vergebung.

    Die Andacht war in wunderbarer Musik eingebettet. Aufgewühlt und bewegend, sanft und anklagend, das Trio wechselte die emotionalen Register. Die afghanischen Lieder von Zia Montazir, die von der Tabla, dem Cello und der Rubab begleitet wurden, erfüllten die Kirche mit einer großen Weite. Viel Melancholie schwebte im Raum. Das nuancenreiche Pochen der Tabla, der sanfte Klang der Laute und die lyrische tiefe Stimme des Cellos vereinten sich zu ausdrucksstarker und leidenschaftlicher Musik, die die Seelen erreichte. Gabriele Lang und Bernd Geisler sangen das engagierte Gedicht von Berthold Brecht „Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen“. Erschütternd und aufbegehrend waren ihre Stimmen. Pfarrerin Stocker sprach den Segen aus: „So geht in die Welt als Bote des Friedens, als Tröster, als Zeichen der Liebe, als Freunde der Menschen.“

    Unterschrift Foto: Anlässlich des Internationalen Tag der Menschenrechte werden in der Pauluskirche in Mengen Texte zum Nachdenken vorgelesen. Bild: Vera Romeu, ©Vera Romeu