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    Sie träumen vom beruflichen Neustart in Deutschland

    Biberach, 01.09.2020 (Gerd Mägerle, ©Gerd Mägerle)

    „Wir schaffen das“ – dieser Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel stand ziemlich genau fünf Jahren am Beginn eines großen Zustroms an Flüchtlingen nach Deutschland. Manche Integration ist in dieser Zeit gelungen, manche nicht. Andere kämpfen noch immer dafür, sich ein besseres Leben zu ermöglichen.

    Das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) bietet an seinem Standort in Biberach aktuell einen Deutschkurs auf C1-Niveau für Menschen an, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Unter den zwölf Teilnehmern sind auch viele Geflüchtete.

    Deutsch auf diesem Kursniveau ist wirklich sehr schwer. Das schaffen nicht viele.
    Georg Bitter


    Majed (39) stammt aus Syrien. Der promovierte Finanzjurist fragt an diesem Nachmittag im Deutschkurs besonders genau nach. Denn neben Grammatik und Satzlehre beinhaltet der C1-Kurs auch themenbezogene Unterrichtseinheiten. Heute geht um Presse- und Meinungsfreiheit und Majed will vom anwesenden SZ-Redakteur wissen, wie die Trennung zwischen reiner Nachricht und Kommentar in der Berichterstattung funktioniert.

    „Wir kommen zum Teil aus Ländern, in denen es zwar Zeitungen gibt, es mit der Pressefreiheit aber nicht immer so gut aussieht“, sagt er. Sein Heimatland verließ er bereits 2009 in Richtung Frankreich. Er ist inzwischen miteinder deutschen Frau verheiratet, hat drei Kinder und lebt seit 2017 im Kreis Biberach. Obwohl er hier gut zurecht komme und die Menschen hier sehr arbeitsam seien, habe er das Problem, für sich eine Arbeit zu finden.

    Dass er seinem Studium entsprechend einen Job finde, erwarte er nicht, „aber ich würde gerne wenigstens zehn Prozent dessen, was ich kann, irgendwo einbringen können“. Vom 400-stündigen C1-Kurs, nach dessen bestandener schriftlicher und mündlicher Prüfung die Teilnehmer im Oktober über Deutschkenntnisse auf einem hohen Niveau verfügen, erhofft er sich bessere Chancen.

    „Bis zum C1-Kurs schaffen es nur die wenigsten“

    Mit dem Niveau, das dabei verlangt wird, habe vermutlich sogar mancher Muttersprachler seine Probleme, sagt Georg Bitter. Der Buchauer leitet den Kurs beim CJD und kennt die Biografien der Teilnehmer. „Bis zum C1-Kurs schaffen es nur die wenigsten“, sagt er. Dieser könne dabei helfen, dass die Teilnehmer zum Beispiel Ausbildungsverkürzungen erhalten, wenn sie in ihrem in der Heimat erlernten Beruf arbeiten möchten.

    Nicht als Grundschullehrerin, zu der sie in Syrien ausgebildet wurde, aber als Kindergärtnerin würde die 27-jährige Aisha in Deutschland gerne arbeiten. 2015 kam sie über die Balkanroute nach Deutschland und lebt mit ihrem Mann seit zwei Jahren in Biberach. Weil noch notwendige Papiere aus ihrer Heimat fehlten, konnte sie erst jetzt mit dem Sprachkurs beginnen, den sie im Oktober erfolgreich abschließen will. Ihr Traum ist es, sich danach in Deutschland eine Existenz aufzubauen.

    Probleme aufgrund der Religion

    Mahboube hat im Iran 13 Jahre als Bankkauffrau gearbeitet, bevor sie 2015 mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach Deutschland kam. Ihre kleine Tochter kam bereits hier zur Welt. Die Familie lebt zurzeit in Riedlingen. Durch ihren christlichen Glauben habe sie im Iran immer mehr Probleme bekommen, erzählt sie. „Jetzt hoffe ich, dass mir der Deutschkurs hilft, eine Stelle im Büro oder als Kauffrau zu bekommen.“

    Noch ohne Berufserfahrung ist die 27-jährige Kamar aus Syrien. Sie hat dort ihren Schulabschluss gemacht, ehe sie mit ihrem Mann 2014 aufgrund des Bürgerkriegs nach Deutschland kam. Inzwischen hat das Paar einen Sohn und eine Tochter. „Ich würde gerne eine Ausbildung zur Bürokauffrau machen“, sagt sie.

    Mit seinen 20 Jahren verfügt Mohamad aus Damaskus bereits über Berufserfahrung. So hat er in Ägypten bereits zwei Jahre als Kaufmann gearbeitet, ehe er nach Deutschland kam. Hier ging er nochmals zur Schule und machte den Hauptschulabschluss. Nun will auch er den C1-Sprachkurs bestehen.

    Den ursprünglichen Traum, in der Medienbranche zu arbeiten, hat er aufgegeben. „Ich habe bei verschiedenen Ausbildungsmessen bei Medienunternehmen nachgefragt. Aber es hieß, dass mein Deutsch dann noch viel besser sein müsste.“ Inzwischen hat er eine mündliche Zusage für eine Ausbildung zum Automobilkaufmann erhalten und hofft, diese in den
    nächsten Tagen beginnen zu können.

    Von Vietnam nach Deutschland

    Die „Exotin“ im Sprachkurs ist die 32-jährige Thi aus Vietnam. Sie hat ihren deutschen Ehemann in ihrem Heimatland kennengelernt. Um ihn in Deutschland heiraten zu können, musste sie zunächst noch in Vietman einen Deutschkurs auf A1-Niveau absolvieren.

    Seit Ende 2018 lebt das Paar nun hier, seit 2019 lernt Thi weiter Deutsch. Auch sie hofft, nach Abschluss des C1-Kurses eine Ausbildung im Bürobereich absolvieren zu können. „In Vietnam habe ich sieben Jahre als Bankkauffrau gearbeitet.

    Kursleiter Bitter weiß um den großen Willen seiner Schüler. „Deutsch auf diesem Kursniveau ist wirklich sehr schwer. Das schaffen nicht viele“, sagt er und schließt so den Kreis zum Merkel-Zitat. Umso mehr hofft er, dass alle von ihnen trotz der Corona-Krise eine Chance auf einen Berufseinstieg erhalten.

    Unterschrift Foto: Kursleiter Georg Bitter und seine Schüler des C1 Deutschkurses beim CJD in Biberach. Diese hoffen, mit hohen Sprachkenntnissen den Einstieg ins Berufsleben zu finden. Bild: Gerd Mägerle, ©Gerd Mägerle